Mitgliedergewinnung durch Sport-Idole – Mythos und Realität

Unter der Überschrift „Das vergessene Plik-Plok“ wird in der Zeitschrift W&V (Ausgabe 14 – 2016, S. 66-68) über die Entwicklung des deutschen Tennis und dessen Medienpräsenz berichtet. Im Zusammenhang mit den jüngsten Erfolgen von Angelique Kerber wird erwähnt, dass das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit an der Sportart Tennis wieder zugenommen hat.


Dazu heißt es dort u.a.: „Heute genießt Tennis fast schon den Ruf einer Nischensportart. Doch die glorreichen Zeiten sind nicht vergessen. (…) – kaum kommen Deutsche bei einem Grand Slam-Turnier zumindest ins Finale, schießt das Interesse in die Höhe“. Dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf das Medien-Interesse – und nicht auf das Interesse, selbst aktiv und Mitglied in einem Tennisverein zu werden. Das war – laut W&V – vor 20 Jahren angeblich ganz anders: „Becker und Graf, die beide schon ganz jung sehr erfolgreich waren, inspirierten Hunderttausende von Kindern, einen Tennisschläger in die Hand zu nehmen. Parallel stieg die Zahl der DTB-Mitglieder auf das Allzeithoch von 2,3 Millionen.“


Sind also damals die sportlichen Erfolge der ehemaligen Tennis-Idole maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, dass die Sportart Tennis in den 80er und 90er Jahren eine derartig erfolgreiche Entwicklung bezüglich der Mitgliederzahlen aufzuweisen hatte? Hunderttausende durch Becker und Graf motivierte Kinder und Jugendliche, die daraufhin einem Tennisverein beitraten?


Ein Blick in die offizielle Statistik vom Deutschen Tennis Bund e.V., veröffentlicht auf der DTB-Homepage, verrät, dass Tennis bis zum Jahr 1994 stets einen Mitgliederzuwachs aufzuweisen hatte. 1994 wurde der Höchststand mit rund 2,3 Mio. Mitgliedern erreicht. Seitdem ist die Mitgliederzahl von Jahr zu Jahr rückläufig. 2015 wurden in den deutschen Tennisvereinen nur noch 1,4 Millionen Spieler registriert.


Aufschlussreichere Erkenntnisse erhält man, wenn die jährlichen Mitglieder-Bestandszahlen – differenziert nach Jugendlichen und Erwachsenen – ergänzt werden um den jeweiligen Netto-Zuwachs (bzw. Netto-Rückgang) im Vergleich zum Vorjahr, und zwar sowohl absolut als auch prozentual. Bei Betrachtung dieser Daten kommt man dann zu einigen interessanten Feststellungen:

  1. Es gab in der Tat eine „Boom-Zeit“ im deutschen Tennis, die Entwicklung der in den Tennis-Vereinen organisierten Mitglieder betreffend. Dieser Zeitraum betrifft jedoch die Jahre 1974 – 1982, lag also weit vor den Erfolgen von Becker und Graf. Zur Erinnerung: Boris Becker wurde im Jahr 1985 – damals gerade 17 Jahre alt – sensationell Wimbledon-Sieger. Steffi Graf gelang 1987 der Sieg bei den French Open und sie eroberte Platz 1 in der Weltrangliste.
  2. Im Zeitraum 1977 – 1982 hatte der DTB jeweils jährliche Netto-Zuwächse von mehr als 100.000 Mitgliedern. Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im Jahr 1980 erreicht mit mehr als 136.000 zusätzlichen Mitgliedern.
  3. Dieser starke Mitgliederzuwachs betraf sowohl die Erwachsenen als auch die Jugendlichen. Während die Zuwächse bei den Erwachsenen zwischen 85.000 und 101.000 pro Jahr schwankten (prozentual bis zu +16%), lagen die Zuwächse im Jugendbereich bei 29.000 bis fast 36.000 Mitgliedern (prozentual bis zu fast +19%).
  4. Kumuliert stieg die DTB-Mitgliederzahl im Zeitraum 1974 – 1982 bei den Erwachsenen um mehr als 760.000 und bei den Jugendlichen um fast 260.000 Mitglieder. Wohlgemerkt: dies war alles vor der „Ära Becker und Graf“. Was auch immer diesen Boom in der Mitglieder-Entwicklung seinerzeit bedingt haben mag – die sportlichen Erfolge dieser beiden Tennis-Idole waren es definitiv nicht.
  5. Wenn überhaupt, ist ein kleiner „Becker & Graf-Effekt“ in den Jahren 1986 – 1988 feststellbar: bei den Erwachsenen stieg die Zuwachsrate noch einmal kurzfristig auf bis zu 84.000 (1988) an, bei den Jugendlichen auf bis zu 36.000 (1987). Danach waren die Zuwachsraten jedoch kontinuierlich rückläufig. Ab 1995 gab es dann gar keine Zuwächse mehr, sondern nur noch rückläufige Mitgliederzahlen – bis heute auf den aktuellen Stand von 1,4 Mio. Mitgliedern. Und eine Trendwende ist offensichtlich nicht in Sicht.
  6. Dass durch die Sport-Idole Becker und Graf also „hunderttausende von Kindern“ inspiriert wurden, zum Tennisschläger zu greifen, darf auf Basis der genannten Zahlen bezweifelt werden. Wenn es diesen Motivations-Effekt denn je gegeben hat, dann sicherlich nicht in dieser Größenordnung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei den genannten Zahlen lediglich die Netto-Zuwächse (bzw. Netto-Rückgänge) ausgewiesen sind. Aus dieser Statistik ist also nicht ersichtlich, wie viele Neuzugänge und wie viele Austritte es in dem jeweiligen Jahr gegeben hat.

Dass sportliche Erfolge einer Sportart nicht unbedingt mit einer positiven Entwicklung der Mitgliederzahlen in den betreffenden Sportvereinen korrespondieren, zeigt auch die Entwicklung im Deutschen Fußball Bund (DFB) eindrucksvoll.


Obwohl die deutsche Fußball-Nationalmannschaft (der Männer, aber auch der Frauen) seit rund zehn Jahren überaus erfolgreich aktiv ist (z.B. 2014 Weltmeister, 2010 und 2006 jeweils Platz 3 bei der WM, 2008 Vize-Europameister), ist die Entwicklung im Jugendbereich – die Mitglieder-Entwicklung betreffend – alles andere als eine „Erfolgs-Story“.


Bereits im Oktober 2013 wies der damalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in  seiner Grundsatzrede auf dem 41. ordentlichen Bundestag des Deutschen Fußball Bundes darauf hin, dass die Fußballvereine im letzten Jahr allein in der Altersgruppe der 10- bis 14jährigen etwa 4.000 Mannschaften verloren haben. Und ganz aktuell berichtete SPIEGEL Online am 02. April 2016 unter der Überschrift „DFB kämpft gegen Jugendschwund“ über einen massiven Rückgang bei den aktiven Jugendlichen. Dort heißt es u.a.: „Immer weniger Nachwuchskicker sind in Vereinen organisiert. Gab es 2010 noch 82.599 Teams bei den Junioren bis 14 Jahren, waren es in 2014 nur noch 76.466 – ein Rückgang von knapp 7,5 Prozent. Bei den Älteren zwischen 15 und 18 ist es noch gravierender: Hier liegt das Minus bei 12,6 Prozent. Und das in nur vier Jahren“.


Bei der Analyse der Ursachen für diese Misere ist der DFB u.a. darauf gestoßen, dass die sogenannte „Generation Z“ (die ab 1995 Geborenen) generell weniger Interesse am organisierten Sport mit beispielsweise festen Wochenendterminen hat. „Diese Gruppe von Jugendlichen verabredet sich lieber privat, geht in Soccerhallen oder auf die Wiese“ (SPIEGEL Online 02.04.2016). Der Trend weg vom organisierten Vereinssport hin zu selbstorganisierten sportlichen Freizeitaktivitäten macht in Deutschland also auch vor der Sportart Nr. 1, dem Fußball, nicht halt.


Wenn der DFB in der Statistik der Sportfachverbände beim DOSB trotzdem immer noch einen statistischen Mitgliederzuwachs ausweist, dann ist dies der steigenden Zahl von Fan-Mitgliedschaften geschuldet – hat also nichts mit aktivem Fußballspielen zu tun.


Das ernüchternde Fazit aus dem Vorstehenden für das Golfmanagement lautet:

  1. Selbst wenn Martin Kaymer, Alexander Ceyka und Bernhard Langer einmal gleichzeitig die Plätze 1 bis 3 in der Golf-Weltrangliste belegen sollten – selbst dann brauchen die deutschen Golfclubs nicht auf einen Mitglieder-Boom zu hoffen. Jedenfalls nicht auf Grund dieser Tatsache.
  2. Die Bereitschaft, als Mitglied eines Sportvereins am organisierten Sportbetrieb teilzunehmen, ist offensichtlich sportartübergreifend rückläufig. Der Trend zum club-ungebundenen Golf bestätigt diese Entwicklung.


Horst Schubert,
Vorstand der Golf- und Country Club Seddiner See AG
und von 2007 bis April 2016 Vorstandsmitglied im GMVD

Mitgliederentwicklung des Deutschen Tennis Bundes
Horst Schubert
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